Rituale oder Talismane – alles nur Kontrollillusion
Salz auf den Fußballrasen streuen, mit dem rechten Fuß stets zuerst auf den Platz oder bestimmte Socken als Talisman tragen – solche Rituale nutzen angeblich viele Sportler für mehr Glück. Seit Menschengedenken gibt es in allen Kulturen Rituale, um das Schicksal wohlgesonnen zu stimmen. Es fühlt sich einfach besser an, das eigene Glück beeinflussen zu können, als einem willkürlichen Schicksal ausgeliefert zu sein. Seine Hoffnungen auf „Glücksbringer“ zu bauen, bezeichnet der Volksmund als Aberglaube. Die Psychologie nennt das Kontrollillusion oder Attributionsfehler. So lässt sich Glück nicht beeinflussen. Und dennoch zeigen neue psychologische Studien, dass es Glückspilze gibt, denen das Zufallsglück besonders hold ist. Ihre Einstellungen und Haltungen scheinen besonders förderlich für das zufällige Glück zu sein. Wissenschaftler untersuchen inzwischen, was wir von diesen „Glückspilzen“ lernen können:
Dem Zufall auf die Sprünge helfen – wie geht das?
Die wenigsten Karrierewege verlaufen genau nach Plan. Oft sind es zufällige Begegnungen, Kontakte oder Gespräche, die plötzlich und unerwartet neue Türen öffnen. Der Psychologe John Krumboltz von der Stanford-University hat auf Basis dieser Erkenntnis seine Planned-Happenstance-Theorie begründet, die Theorie des geplanten Zufalls. Karriereberater folgen heute seiner Auffassung und empfehlen, die Zahl der potentiellen Zufälle geplant zu erhöhen. Wer z.B. auf Konferenzen oder Messen neue Menschen kennenlernt und Networking betreibt, hat später mehr Chancen, über sein Beziehungsnetzwerk interessante Angebote zu erhalten.
Dass dies funktioniert, zeigen auch die Studien der Psychologin Elizabeth Williams. Sie hat die berufliche Laufbahn von erfolgreichen Frauen analysiert. Bei diesen Frauen war der Zufall oft Karrierehelfer. Aber was begünstigt diese glücklichen Zufälle? Laut Williams ist es vor allem Selbstvertrauen, Offenheit und Risikofreude. Die Frauen mit dieser Haltung verfügten über ein besonders großes Netzwerk. So kamen sie eher in den Genuss von hilfreichen Informationen oder erfuhren frühzeitig von offenen Stellen[1].
Zufall ist nicht nur eine Frage von statistischen Wahrscheinlichkeiten
Wer immer nur zu Hause sitzt und tagtäglich die gleichen Gewohnheiten pflegt, darf wenig auf das Glück hoffen – schon deshalb, weil der Zufall dann geringe Chancen hat. Und dennoch ist Zufall nicht nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit, sondern abhängig von der Wahrnehmung von Chancen. Der Glaube daran, viel Glück zu haben, scheint dem glücklichen Zufall die Türen zu öffnen. Zu diesem Ergebnis kam der Psychologe Richard Wiseman durch seine Zufalls-Studien. Er konnte durch Experimente zeigen, dass Menschen, die sich als vom Glück begünstigt betrachten, positive Zufälle viel häufiger wahrnahmen als Pechvögel. Dafür legte er seinen Probanden fingierte Geldfunde auf ihren Weg. Wer von sich selbst sagte, vom Glück begünstigt zu sein, nahm das Geld wahr. Pessimisten, die sich als Pechvögel einstuften, übersahen fast alle das Geld. Wiseman ist deshalb der Meinung, dass 80 % der glücklichen Zufälle nicht von der Wahrscheinlichkeit, dass sie passieren, abhängen, sondern von der Fähigkeit, sie wahrzunehmen. Ähnlich sieht es der Psychiater und Zufallsforscher Bernard Beitman von der University of Virginia. Für ihn ist die Fähigkeit, Zufälle wahrzunehmen, essenziell für ein gelungenes Leben. Er meint, wer darauf achtet, wird verblüfft sein, wie oft uns das Zufallsglück genau das liefert, was wir gerade brauchen. “Wer Zufälle ignoriert, wird nicht in der Lage sein, sein maximales Potential auszunutzen“ so Beitman.[2] Nach seinen Erkenntnissen ist die Empfänglichkeit für das Erkennen glücklicher oder schicksalhafter Zufälle jedoch unterschiedlich ausgeprägt. Deshalb rät er, die Wahrnehmungsfähigkeit für Zufälle zu trainieren. Dazu empfiehlt er ein Zufallstagebuch zu führen, in dem hilfreiche Zufälle notiert werden. So ließe sich die Fähigkeit, Zufallschancen wahrzunehmen und zu nutzen, trainieren und weiter ausbauen.
Chancen erkennen durch Flexibilität, Offenheit und gute Laune
Auch, wer zu sehr auf ein Thema konzentriert ist, übersieht Chancen. Dies zeigte Wiseman mit einem Experiment, bei dem er Probanden die Aufgabe gab, die Fotos in einer Zeitung zu zählen. Fast alle lösten die Aufgaben und präsentierten das richtige Ergebnis. Viele übersahen aber den auf Seite zwei in großer Schrift gedruckten Text: „Hören Sie auf zu zählen. Es sind 43 Fotos.“ Genauso entging ihnen die halbseitige Anzeige mit dem Text: „Hören Sie auf zu zählen! Sagen Sie dem Versuchsleiter, Sie hätten die Anzeige gesehen und kassieren Sie 100 Pfund Belohnung dafür.“
Wiseman glaubt, dass zu große Konzentration oder gar Verbissenheit verhindert, dass Chancen wahrgenommen werden. Flexibilität im Denken und Handeln wirkt sich stattdessen positiv auf das Zufallsglück aus. Wer sich einerseits anspruchsvolle Ziele setzt, sie aber nicht zu verbissen verfolgt, kann mehr vom Zufall profitieren. Die Überzeugung, dass es viele Wege zum Ziel gibt, macht offen für glückliche Zufälle. Verbissenheit hingegen verengt den Blick und lässt Chancen unerkannt vorbeistreichen. Dies gilt ebenso für schlechte Laune und Stress. Der durch Stress verursachte Tunnelblick macht blind für mögliche Alternativen oder Lösungen. Positive Stimmung hingegen befördert glückliche Zufälle. Wer gut gelaunt ist, ist auch entspannt genug, um hilfreiche Chancen zu registrieren.
Fazit: Tipps für mehr Zufallsglück
Offen sein, mit vielen Menschen reden und Beziehungen aufbauen
Meistens begegnet uns das Zufallsglück in Form von anderen Menschen, die uns etwas erzählen. Wer offen ist, Kontakte knüpft und mit vielen Menschen spricht, erhöht automatisch die Wahrscheinlichkeit für glückliche Zufälle.
Neues wagen und Risikofreude statt stets auf Nummer sicher zu gehen
Wer sich traut, auch mal ein Risiko einzugehen, eingefahrene Gleise zu verlassen und Neues auszuprobieren, öffnet ebenso dem Zufallsglück die Türen. Wo hingegen stets alles im gleichen Trott läuft, hat der Zufall wenig Chancen.
Locker bleiben auf dem Weg zum Ziel
Es ist gut, ein Ziel zu haben und zu wissen, was man will. Dann gilt es sich aber von der Vorstellung, wie man dieses Ziel genau erreichen will, zu verabschieden. Wer entspannt und locker bleibt, nimmt hilfreiche Gelegenheiten eher wahr, als wer alles bis ins Detail planen und kontrollieren will.
Möglichst gut gelaunt durchs Leben gehen
Wer meist positiv und gut gelaunt ist, dem begegnen auch andere offen und freundlich und sind eher bereit, zu unterstützen und zu helfen. Zudem schafft die gute Laune die Entspanntheit, die hilft, die Zufälle zu sehen.
An das eigene Glück glauben
Optimisten haben mehr Glück als Pessimisten – einfach weil sie die Chancen eher wahrnehmen. Eine optimistische Haltung lässt sich gezielt fördern, indem man ganz bewusst den Fokus auf die glücklichen Umstände im eigenen Leben richtet. Wo hat der glückliche Zufall schon mal gewirkt? Welche Umstände wurden in der Vergangenheit durch Glück ermöglicht? Auch das „Tagebuch der guten Dinge“ in dem man positive Erlebnisse festhält, fördert den eigenen Optimismus. (Siehe Newsletter-Artikel "Resilienzfaktor Optimismus").
© Petra Weber, soultio plus, Coachingzentrum Heidelberg, Dezember 2017
[1] „Was wir von Glückspilzen lernen können“, in Psychologie heute compact, Nr. 49 2017 S. 76 ff
[2] „Von wegen Zufall“ in Psychologie heute, Dezember 2017, S. 28ff.
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