Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen unter Zugriff auf Ressourcen besser zu bewältigen. Diese Fähigkeit wird in Zeiten zunehmender Stresserkrankungen immer wichtiger. Darüber sind sich alle einig. Uneinigkeit besteht jedoch in der Frage, was Resilienz denn nun ausmacht. Auf welche Faktoren kommt es dabei an? Hierüber ist zwischen manchen Resilienz-Autor/innen und Resilienz-Trainer/innen eine heftige Diskussion entstanden. Daher soll das Thema hier etwas näher beleuchtet werden:
Die echten und die falschen Resilienzfaktoren nach Dr. Mourlane
Dr. Denis Mourlane führt in seinem Buch "Resilienz: Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen" auf, dass die „echten Resilienzfaktoren“ auf die amerikanischen Wissenschaftler Dr. Karen Reivich und Dr. Andrew Shatté zurückzuführen seien. Diese haben in ihrem Buch „The resilience factor“ ihre Forschungsergebnisse zusammengefasst und leiten daraus folgende sieben Resilienzfaktoren ab:
Viele Resilienz-Autor/innen und –Trainer/innen nennen laut Dr. Mourlane hingegen „falsche Resilienzfaktoren“, die häufig auch als die „sieben Säulen der Resilienz“ bezeichnet werden. Diese sind:
Was sind die richtigen Resilienz-Faktoren laut den anderen Resilienz-Autor/innen und welche Studien und Quellen werden benannt?
Eine Analyse der einschlägigen deutschsprachigen Resilienz-Literatur ergibt folgendes Bild:
Sylvia Kéré Wellensiek zitiert in ihrem Handbuch Resilienz-Training Reivich und Shatté als Quelle, benennt jedoch die oben aufgeführten „sieben Säulen der Resilienz“[1]. Monika Gruhl bezieht sich u. a. auf die sogenannte Kauai-Studie von Emy Werner und benennt sieben Schutzfaktoren[2], die sie in drei Grundhaltungen (Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung) sowie vier Fähigkeiten unterteilt: sich selbst regulieren, Verantwortung übernehmen, Beziehungen gestalten, Zukunft gestalten. Dies stimmt weitgehend mit den sieben Säulen der Resilienz überein. Auch für Prof. Dr. Jutta Heller[3] und für Micheline Rampe sind die sieben Säulen der Resilienz die „richtigen Resilienzfaktoren“. Micheline Rampe bezieht sich dabei in ihrem bereits 2004 erschienenen Buch „Der R-Faktor“ auf einen Artikel von Ursula Nuber aus der Zeitschrift Psychologie heute 5/99. Christina Berndt (Resilienz – Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft (2013)) sieht Resilienz als Fähigkeit, Stress gut zu bewältigen und beleuchtet Resilienz aus ganz verschiedenen Blickwinkeln. Ein besonders wichtiger Schlüssel ist für sie in Anlehnung an die Kauai-Studie von Emy Werner enge soziale Bindungen (S. 67 ff). Außerdem empfiehlt sie als Bewältigungsstrategien 10 Wege zur Resilienz, angelehnt an die „Road to Resilience“ der American Psychological Association (S. 201 ff). Diese beinhalten ebenfalls Akzeptanz, soziale Kontakte aufbauen, Ziel- und Zukunftsorientierung, aber auch weitere Punkte wie z. B. für sich selbst sorgen und ein positives Selbstbild entwickeln.
Wer hat nun Recht und was sind die „echten Resilienzfaktoren“?
Zunächst einmal gilt auch hier: Die Landkarte ist nicht die Landschaft. Modelle und Theorien sind wie eine Landkarte. Sie sind hilfreich und nützlich und bieten Orientierung. Doch sie können niemals den Anspruch erheben, die Realität in ihrer Komplexität abzubilden. Es gibt sicher weit mehr als sieben Faktoren, Fähigkeiten, Haltungen oder Einstellungen, die Menschen dabei unterstützen, ihre Schwierigkeiten und Krisen zu bewältigen. Von „echten Resilienzfaktoren“ zu sprechen, erscheint daher vermessen. Die von Reivich und Shatté bzw. Mourlane zitierten Faktoren erinnern sehr an das Konzept der Emotionalen Intelligenz von Daniel Goleman, das er u. a. in seinem Buch „Der Erfolgsquotient“ beschreibt. Auch dort werden Emotionssteuerung, Impulskontrolle und Empathie als wichtige Erfolgsfaktoren aufgeführt.
Die Fähigkeit zur Kausalanalyse korreliert mit der in traditionellen IQ-Tests gemessenen analytischen Intelligenz. Wer wollte bestreiten, dass all diese Fähigkeiten wichtig sind, um im Leben erfolgreich zu sein? Doch sind sie auch entscheidend, wenn eine akute Krise auftaucht, die bewältigt werden muss? Damit hätten Menschen mit hohen analytischen Fähigkeiten (wie z. B. Wissenschaftler/innen) per se einen Vorteil bei der Bewältigung von Schwierigkeiten und Krisen. Und ist Empathie wirklich ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht eine Trennung, einen Jobverlust, eine schwere Krankheit oder eine andere Stresssituation zu bewältigen?
Nach meinen Erfahrungen aus Resilienz-Trainings und Resilienz-Coachings sowie persönlichen Erlebnissen sind im Akutfall durchaus die „sieben Säulen der Resilienz“ hilfreich und wichtig. Diese Haltungen helfen, Lebenskrisen besser zu bewältigen und sie lassen sich entwickeln und trainieren.
Fazit: Es gibt keine echten und keine falschen Resilienzfaktoren
Letztendlich gibt es hier jedoch kein „entweder - oder“, kein „richtig“ oder „falsch“. Die Faktoren hängen alle zusammen und ergänzen sich. Nur wer in der Lage ist, seine Emotionen zu steuern, kann eine Haltung der Akzeptanz einnehmen und beginnen, in einer Krise nach Lösungen zu suchen. Nur wer die Fähigkeit zur Empathie besitzt, wird ein gutes Netzwerk von Freunden aufbauen, das auch in Krisenzeiten Halt gibt und stützt. Wer Selbstwirksamkeitsüberzeugung besitzt kann die Opferrolle verlassen und selbst aktiv handeln, statt zu hoffen, dass andere das Problem lösen. Wer seine Zukunft plant, setzt sich automatisch Ziele und überlegt, wie er diese erreichen kann. Getragen wird dies stets von Optimismus und Zuversicht und der Bereitschaft, für sein eigenes Leben auch in Krisenzeiten Verantwortung zu übernehmen sowie von dem festen Willen, die anstehenden Schwierigkeiten zu bewältigen.
Autorin: Petra Weber, Coachingzentrum Heidelberg, Juni 2015
[1] Handbuch Resilienz-Training: Widerstandskraft und Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter (2011), S. 22
[2] Die Strategie der Stehauf-Menschen – Krisen meistern mit Resilienz (2011), S. 23
[3] Resilienz - 7 Schlüssel zur inneren Stärke (2013), keine Quellenangaben zu den Resilienzfaktoren
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